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aus Granate schlug ein und riß leider zuweilen ganze Reihen fort, und — 5 Stunden lang mußten die Bataillone dieses Unwetter
ruhig über sich ergehen lassen.
Die berittenen Offiziere stiegen einer nach dem andern ab. Nur General v. Bose und Oberst v. Wedel hielten noch zu Pferde, ersterer auf einer kleinen Erhebung, welche die Beobachtung begünstigte. Aber das Pferd war unruhig. Plötzlich stieg es hoch auf. Eine Granate war in nächster Nähe geplatzt, und ein Stück derselben hatte, zwischen dem aus die Seite gestützten linken Arm des Generals und der Brust hindurchgehend, den Regenmantel zerfetzt. Nun schickten auch der General, da er zu Fuß ruhiger beobachten konnte, und der Oberst die Pferde in den Wald zurück.
So manche Granate schlug in den Teich von Ober-Dohalitz, einem Dorfe, hart an der Südecke des Waldes gelegen, und jedes Mal sah man einen etwa meterhohen Wasserstrahl emporsteigen. Auch in einen Bienenkorb fchlng eine Granate, und nur mit Mühe konnten die Mannschaften sich der erregten kleinen Bewohner erwehren. Am wohlsten fühlte sich augenscheinlich ein Schwein, das am Dorfsaum freudig grunzend die Erde aufwühlte. Doch auch dies fiel als Opser der Granaten und streckte bald alle Viere von sich.
Jede solche Unterbrechung war angenehm, zog sie doch die Gedanken von den Granaten ab. Allmählich gewöhnte man sich auch an das Feuer. Wer noch Vorrat im Tabaksbeutel hatte, fetzte die Pfeife in Brand, während andere, bei denen sich die körperliche Abspannung geltend machte, längere Zeit ruhig schliefen.
Mehrmals wurde fogar der Versuch gewagt, den österreichischen Batterien beizukommen. Mitten im heftigsten Granatfeuer ging s vorwärts, und teilweise gelang es auch, bis nahe an die feindliche Stellung heranzukommen. Selbst ein Hagel von Granaten und Schrapnells, mit dem die feindlichen Batterien die mutigen Vorwärtsstürmer überschütteten, vermochte sie nicht aufzuhalten. Es gelang ihnen sogar eine Schwadron österreichischer Ulanen, die gegen sie anritt, durch ein wohlgezieltes Schnellfeuer in die Flucht zu treiben und einer zweiten Schwadron dasfelbe Schicksal zu bereiten. Aber alles war vergebens; endlich mußten sie doch dem wohlgezielten Feuer mehrerer Batterien weichen, sie mußten in den Hola-Wald, in die Hölle, zurück.
Nun galt's, die gefährliche Stellung unter allen Umständen zu halten, im heftigsten Granatfeuer bis zum Eintreffen der Armee des Kronprinzen auszuharren. Wahrlich keine leichte Aufgabe! Trotzdem beseelte jeden nur der eine Gedanke: Treu bis zum Tode.
Das Eintreffen der 2. Armee: Endlich, es war nach 3 Uhr nachmittags, ließ das feindliche Geschützfeuer nach. Die 2. Armee war eingetroffen, hatte Ehlum im Rücken der österreichischen Stellung genommen und ging zum Angriff gegen die Höhe von Lipa vor. Man sah bald die rückgängige Bewegung der Geschütze, und
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seurs, die den Kaiser mit lautem „Vive Vempereur“ begrüßten. Es war eben 12 Uhr mittags. Bald darauf ritt Napoleon, begleitet von seinen Marschällen, einigen Generalen und seinem Leib-memelucken (Leibwächter) nach dem Gouvernement zurück.
Napoleon empfängt den Kaiser Alexander: Eine Stunde später fuhr er in einem achtspännigen, prächtigen Staatswagen, dem noch verschiedene andere folgten, zum Krämpfertore hinaus, wo sich die Truppen auf den hinter dem Schwemmbache^) liegenden Stoppel- und Brachfeldern übten. Es galt, den ankommenden Kaiser Alexander von Rußland würdig zu empfangen. Napoleon, der aus seinem Wagen gestiegen war, ging, während sich die Truppen ordneten, auf und nieder. Plötzlich aber schwang er sich aufs Pferd, galoppierte die bei Linderbach liegende Anhöhe hinauf und verschwand. — Jetzt fiel ein Kanonenschuß — „die Kaiser kommen!" erklang's durch die Reihen der Truppen und der zahlreichen Volksmenge, die das Feld bedeckten. Mehrere Kanonenschüsse, die oben auf der Anhöhe donnerten, verkündigten die Annäherung der beiden Kaiser. — Die Feldmusik rauschte über das weite Brachfeld, die Trompeten der Kürassiere und Husaren schmetterten, und in der Ferne sah man den Zug der beiden Kaiser die Anhöhe herabkommen. Sogleich eilte der größte Teil der auf dem Felde Anwesenden nach der Stadt zurück, und es dauerte kaum einige Minuten, so kam der Zug unter dem unaufhörlichen Donner der Kanonen beider Festungen, dem Geläut aller Glocken und dem Jubelgeschrei der Truppen und der Volksmenge zum Krämpsertor herein. Die beiden Kaiser ritten nebeneinander, Alexander zur Linken Napoleons. Auf dem Anger, in der Nähe des Triebelschen Hauses, der heutigen Kommandantur, das dem Kaiser Alexander während der Zeit des Kongresses zur Wohnung bestimmt war, herrschte ein unbeschreibliches Gedränge, zumal sich hier die zurückgekehrte Kaisergarde und sämtliche andere Truppen in Parade ausgestellt hatten. Die Kaiser stiegen vom Pferde und traten Hand in Hand ins Haus, vor welchem zwei riesige Schilderhäuser für die Kavalleriewachten aufgestellt waren. In dem glänzenden Gefolge des Zaren befanden sich sein Bruder, der Großfürst Konstantin, der Herzog von Weimar mit dem Erbprinzen und zahlreiche Generale.
Die festlich erleuchtete Stadt: Als der Abend dieses er-
eignisreichen Tages hereinbrach, hüllte sich die Stadt in ein glänzendes Lichtmeer. Man wetteiferte mit der Anbringung von Dekorationen und Transparenten (Leuchtbildern). Am meisten tat sich hervor die Freimaurerloge, die ihr ansehnliches Gebäude auf dem Roßmarkte (Herrmannsplatz) mit drei überlebensgroßen Trans-
!) Damals mündete der Schwemmbach, der um die Ostseite der Stadt führte, nördlich vom Johannestor in die Gera.
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Extrahierte Ortsnamen: Stoppel- Linderbach Napoleons Weimar Schwemmbach Gera
560
117. Die Schlacht von Beaumont, 30. Angust.
So war es auch in unserem Biwak bei Sommerance. „Ihr werdet
sehen, morgen kommen wir zum Handkuß!" meinte unser Adjutant und recht
hatte er, denn 24 Stunden später knatterten unsere Podewilsbüchsen so tüchtig,
daß den Franzosen Hören und Sehen verging.
Vor und nach diesem 29. August haben wir oft biwakiert; aber kein Lager ist mir in so schöner Erinnerung als jenes unübersehbare, gewaltige damals bei Sommerance. Unsere Division biwakierte bei diesem Dorfe selbst; links von uns die erste bayerische, neben dieser das 5. preußische Korps;
rechts vorwärts von uns die Armeekorps des Kronprinzen von Sachsen, hinter uns die bayerische Kürassierbrigade, kurz, wo man hinsah, Soldaten, nichts als Soldaten.
Das war herrlich zu sehen und wohl jedermann, nicht mich allein, überkam damals ein Gefühl unbedingten Vertrauens zu unserer oberen Führung, die es so gut verstand uns auf dem Marsche auseinander zu halten, damit sich die Truppen nicht gegenseitig genierten, für das Gefecht aber alles zusammenzuballen, damit wir jeder auch noch so schweren Aufgabe gewachsen und immer, wenn irgend möglich, stärker als der zu schlagende Feind waren.
Wir hatten uns schon so recht gemütlich eingerichtet, was man eben unter gemütlich in einem Biwak im Feindesland versteht. Unsere Jäger hatten Kartoffeln in Menge gefunden, Wasser war geholt worden, Holz lieferte der nahe Wald, Salz und Brot gaben die Tornisterbestände. Die Kochlöcher waren gegraben, das Feuer loderte, das Wasser brodelte, kurz alles war fertig; nur die Hauptsache fehlte: das Fleifch.
Endlich kam unser Requisitionskommando zurück. Wir Jäger erhielten einen Prachtstier. Der Metzger stand bereit, ein Axthieb und — der Stier ging pleine carriere durch, rannte einen Jäger um, daß dem das Blut von der Stirne lief, und nahm seine Richtung gerade auf unsere Kompagnie.
„Achtung! ein Ochs kommt!" schrie ein Mann.
„Das kann ein schönes Unglück geben," rief nnfer Hauptmann und „Macht ninxn," meinte der-Gefreite Mogele, „dem wer'n mers glei zoagn!" — Kaltblütig packte er seine Büchse, spannte den Hahn und zielte: paff, da lag der Stier, zuckte noch einige Male und war tot. Der gute Schuß hatte alle Jäger herzlich gefreut und — jedermann hatte Hunger. Sofort spannten sich etwa zehn Mann an die jetzt so zahme Bestie; sie wurde hinter die Wagen geschleppt und bald brodelte sie, in etwa 1000 Teile zerlegt, in den Feldkesseln der Leute.
Gegen 3 Uhr war das Diner fertig. Suppe, Brot, Zunge, Stierfleisch, Kartoffeln, Salz, Wein; was wollte man mehr! Am Abend bei herrlichstem Wetter spielte unsere Musik. Lange saßen wir beisammen und plauderten von den Aussichten für morgen. Für uns gab es keinen Zweifel mehr, daß es zur Schlacht kommen würde.
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117. Die Schlacht von Beaumont, 30. August. 563
Nun bogen wir in einen Waldweg ab. Er hatte genau die Richtung auf jene französische Schimmelbatterie, die wir schon vorhin von oben bemerkt hatten.
An einer Lichtung passierten wir den ersten bayerischen Verbandplatz. Da walteten die Ärzte schon ihres schaurigen Amtes. Wir waren froh, daß uns der Wald bald wieder aufnahm. Nichts wirkt auf die Leute ungünstiger als der Anblick von Amputationen, wie sie dort gerade an einem Unteroffizier des 10. Regiments vorgenommen wurde.
7/
„Vorwärts, Jäger! Laufschritt! Vorwärts!"
Meine Kompagnie war an der Spitze. Der Weg verbreiterte sich zu einer Lichtung.
„Donnerwetter! Was soll das heißen? Das sind ja unsere Leute, die zurückweichen!"
Eine schwache Abteilung unserer Avantgarde war in der Flanke gefaßt worden. Eine ganze feindliche Division, die 1. des 7. französischen Korps, hatte sie von links gepackt und drohte sie vollständig aufzurollen.
„Meine Herren, halten Sie Ihre Züge fest geschlossen! Wir dringen durch und reißen sie mit!“ — Ich hatte unserem kleinen Hauptmann eine so mächtige Stimme gar nicht zugetraut. Wir sprangen zu unseren Jägern.
„Uns nach, Jäger! — Fest beisammen bleiben! — Keinen der Unsrigen durchlassen! — Vorwärts, Jäger! Laufschritt, vorwärts!"
Kein Mann blieb zurück. Wie eine feste Mauer drang unsere Kompagnie durch und riß die Wankenden mit sich. Rechts von uns machten es
36*
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119. Der Straßenkampf in Bazeilles.
573
wohl, ihr Tapfern, in fremder Erde! Mit uns, enern treuen Kameraden, trauert um euch das ganze deutsche Vaterland!
Es mochte ungefähr 10 Uhr vormittags fein, als sich plötzlich eine ungemein rege Bewegung geltend machte. Generalstabsoffiziere und Adjutanten galoppierten hin und her; aus der Ferne vernahmen wir brausende, nicht enden wollende, stets stärker anschwellende Hurrarufe und die Töne rauschender Musik. Wir standen und fragten. Da sprengte unser Divisionskommandeur, der ritterliche Generalleutnant von Stephan, in unser Biwak. Der alte Herr strahlte vor Begeisterung und rief mit weithin schallender Stimme: „Sedan ist über! 83000 Franzosen sind gefangen! Kaiser Napoleon hat dem König Wilhelm seinen Degen übergeben! Hurra dem König! Hurra unserm König!" Die Luft erbrauste von donnernden Rufen, die Leute warfen ihre Mützen in die Luft, die Kameraden fielen einander in die Arme und Tränen der Freude rannen gar manchem in den verwilderten Bart. Die Kapellen waren rasch versammelt und stimmten die Königshhmne an, die in Hellem Jubel vom tausendstimmigen Chor der Krieger mitgesungen wurde. Se. 51. Hoheit Prinz Luitpold erschien um selbst bei der Verkündigung dieser hehren Botschaft in Mitte feiner treuen Bayern zu fein und wurde gleich
mehreren Generalen, die zur Begrüßung der Truppen kamen, mit begeisterten Zurufen empfangen; anfänglich vermochte der erlauchte Herr der stürmischen Huldigungen sich kaum zu erwehren.
Unter dem Sturmliede der Kanonen hatte mit gewaltigen Hämmern Glied an Glied des ehernen Ringes fest die deutsche Siegerfaust geschmiedet. „Sieg! Der Kaiser ist gefangen!" brauste es jubelnd durch die Lüfte, brauste
es vom Tale zu den Bergen, von den Bergen zurück ins Tal und der Wind
trug den Jubel auf feinen Fittichen hinüber über Vogesen und Rhein, in die Häuser und Hütten der Heimat. Der Verwundete, der sich stöhnend auf
seiner Schütte Stroh krümmte, streckte sich und der Held, um dessen brechendes Auge schon der Todesschatten florte, hob fein blutendes Haupt empor und legte sich zufrieden zurück zum Sterben. Dem Franzmann aber klang es wie die Todesglocken von seines Vaterlandes Ehre. Unter Blut und Eisen stürzte jäh der Thron des welschen Cäsars zusammen und über seine Trümmer weg, ans vom blutigen Schlachtgefilde, hob stolz zur Kronfahrt seine Schwingen der deutsche Kaiseraar.
119. Der Strafeenfwmpf in Bazeilles.
Von Karl Bleibtreu. J)
Von beiden Seiten warf mau immer neue Truppen hiuein um den feuerspeienden Krater zu speisen. Ich habe von diesem tollen Gemetzel nur
*) »Dies irae<, Erinnerungen eines französischen Offiziers an die Tage von Sedan, S. 84 ff. Stuttgart 1882. Karl Krabbe.
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Extrahierte Ortsnamen: Bazeilles Rhein Bazeilles Sedan Stuttgart
570
118. Die Schlacht bei Sedan.
Granaten von Freund und Feind kreuzten sich über unseren Köpfen und die in den weichen Wiesengrund einschlagenden Projektile rissen tiefe Furchen. Dazwischen rasselten die knarrenden Mitraillensen mit ihrem ohrenzerreißenden^ schrillen, widerlichen Spektakel. Einzelne Schüsse und Kanonenschläge waren nicht mehr zu unterscheiden, ununterbrochen über das ganze weite Tal hin rollte der dröhnende Donner der Geschütze, daß die Erde bebte und die Lüfte zitterten. Von allen Höhen und den Waldmauern der Forste auf den fernen Bergen wurde der Widerhall tosend in hundertfachem Echo in das Tal zurückgeworfen, wo die Schallwellen zusammenschlugen und in einem einzigen dumpfen Brausen sich vereinten, daß die Kämpfer noch tagelang es im Trommelfell summen zu hören vermeinten. Nur das Rasseln der Mitrailleufen drang durch diesen Kosenden Chor durch, das Knattern der Gewehre wurde vom Brüllen der Kanonen verschlungen. — Ich bin in 16 Schlachten und Gefechten im Feuer gestanden, habe aber niemals ein so gewaltiges, fürchterliches Höllenkonzert erlebt.
Endlich, es war um die Mittagstuude, schien das Eingreisen der Abteilungen unserer 2. und 3. Division sich geltend zu machen, indem der Kampf sich wehr nach Norden und Osten zog. Doch brach das Gefecht in Bazeilles nicht ab.
Die Häuser und Scheunen am Eingänge des Dorses waren mit Vei> mundeten überfüllt und das schöne Schloß Dorival als Ausnahmsspital eingerichtet. Im reizenden Parke lagen und saßen die Verwundeten auf dem Rasen; die Ärzte hantierten; Stöhnen, Wimmern und Schmerzeusschreie erschollen. Fortwährend wurden Verwundete hereingetragen, darunter auch Hauptmann Heinrich Frhr. von Harold vom 2. Jägerbataillon, dem ich noch bei Wörth zugejubelt hatte, als er mit einem riesigen Transporte von Gefangenen bei uns vorbeikam. Jetzt lag er mit durchschossenem Beine auf der Bahre und nach zwei Monaten erlag er seiner Wunde in der Heimat. Die Häuser in den Straßen vor uns standen lichterloh in Flammen, kein Mensch versuchte zu löschen; unter dem Schutte und zwischen den glimmenden Balken lagen zahlreiche Leichen, zum Teil angekohlt. Patrouillen brachten Einwohner, die heimtückisch aus den Kellern den Unsrigen in den Rücken gefeuert, Verwundete massakriert und iu die Flammen geworfen, sich mit den Waffen in der Hand widersetzt haben sollten; wir mußten ihre Bewachung übernehmen. Die Unglücklichen sahen schrecklich aus, viele waren mit Kolben und Säbel schlimm zugerichtet worden, die Kleider hingen ihnen in Fetzen vom Leibe. Das war im Kampfe geschehen. Auf den verzerrten Gesichtern aber prägten sich die wilden Leidenschaften aus, der Fanatismus, der ihnen die Waffen in die Hand gedrückt hatte, die Haare hingen zerrauft ins Antlitz und die blutunterlaufenen Augen loderten in wilden Gluten. Wenige werden wohl den folgenden Morgen überlebt haben; über ein Ehepaar saß ich selbst tags darauf tirt Standgerichte.
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119. Der Straßenkampf in Bazeilles.
575
Schmettern der Hörner imb Rollen der Trommeln hindurch bestialisches Tiger-geheul und hyäneuhaftes Wutgelächter! - Pardou wurde überhaupt weder
verlangt noch gegeben.
Nur eine Tugend scheint noch lebendig - denn die Tapferkeit wird bald
zu wüstem Morden und tierischem Instinkt — das ist ein gewisser vager Patriotismus. Nicht mehr war es die blinde Vergötterung militärischer Götzen, wie bei Waterloo, wo man Grenadiere den linken zerschmetterten Arm mit dem rechten in die Lüfte werfen sah: ,,Vive l’Empereur jusqu ä la mort l nicht mehr folgte man allein der Trikolore, der Iris des Sieges, und dem „heiligen Kreuz" des Ruhmes, dem Stern der Ehrenlegion. Die Austerlitzsonne war tm Sinken. Sie leuchtete uns nicht mehr vor in die ewige Nacht. — Immer vereinzelter scholl das „Vive l’Empereur!“ der Offiziere und immer stärker schwoll das donnernde Schlachtgeschrei, das wir dem Feinde entgegenschleuderten: „La France 1“ .... Und doch mußten die Deutschen siegen. Sie hatten eine
Idee auf ihrer Seite — und die siegt immer.
Es war Mittag, als Bazeilles verloren ging. Wimpffen ordnete mit vieler Umsicht unsere zweite Position in Balan. Mich schickte er gegen Givonne vor um den dortigen Zustand der Dinge zu erkunden.
Es war ein großartiger Anblick, wie er wohl kaum je einem menschlichen Auge geboten ist. Auf einem unverhältnismäßig schmalen Raume kämpften Zehntausende von Menschen. Noch wurde unter mir im Grunde von Daigny um die Brücke mit Heldenmut gerungen; aber das unheimliche Knarren der Mitrailleusen, das sonst durch allen Schlachtenlärm vernehmlich gewesen war, ließ sich nur noch in langen Zwischenräumen hören. Unsere auf dem Plateau zusammengequetschten Massen wurden um so mehr von schweren Verlusten heimgesucht, als Wimpffen die Divisionen Pelle und L'heriller zu Donay, dieser aber mehrere Brigaden zur Verstärkung nach Balan entsendet hatte. Diese Truppen drängten und kreuzten sich nun im Marsche.
Noch jetzt aber zeigte sich keine Spur von Entmutigung. Obwohl aus tausend Wunden blutend stellte sich der umringte Löwe doch überall brav und trotzig entgegen und versuchte bald hier bald da einen Vorstoß zu machen um dem verderblichen Netze zu entrinnen. Überall brachen sich unsere dezimierten Sturmsäulen an dem ehernen Ring und wurden in den Kessel zurückgetrieben, in welchem Tod und Vernichtung unbarmherzig wüteten. Die feindlichen Granaten wirkten Erstaunliches. Sie flogen mit der Präzision einer gut gezielten Büchsenkugel. Tiralleurschwärme wurden auf eine Entfernung von 300 Schritt zur Umkehr gezwungen, größere Massen zerstoben wie hilflose Herden von Wölfen angefallen.
Aus der Hölle von Bazeilles auf die Höhe von Jlly gekommen zu sein hieß aber nur ans dem Regen in die Traufe geraten. Das Feuer dort obeu war beispiellos. Man denke sich ein schmales Plateau, von einer dicht zusammengedrängten Armee besetzt, das von 20000 Granaten gefegt wird! Es war das
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Glocken von St. Marien, Nikolai und Petri die Bürger zu den Waffen riefen. Während die Viertelsmeister ihre Abteilungen ordneten und demnächst die bedrohte Seite besetzten, sammelte sich die schwer geharnischte berittene Bürgerschaft und nährn Aufstellung in der Nähe des Gertrandtentores (an der heutigen Gertraudtenbrücke).
Inzwischen war der Komtur bis auf Bogenschußweite vor das Köpenicker Tor gerückt und hatte hier, also in der Gegend der jetzigen Alten Jakobs- und Roßstraßen-Ecke seine Scharen zum Sturme geordnet. In der vorderen Reihe standen die Bauern der Ordensdörfer mit Faschinen, Wollsücken, Schippen, Hacken und Äxten, zwischen ihnen die Träger mit den Sturmleitern. Darauf kamen die Söldner mit Lanzen, Morgensternen, Helle-barden und Schwertern; hinter diesen standen die Armbrustschützen und die Reiterei, deren größter Teil als Fußvolk focht. Colditz gab deu Befehl zum Vormarsch, und unter dein Schlachtruf des Ordens „St. Johann!" setzte sich die feindliche Sturm-kolonne gegen das Tor in Bewegung.
Der Bürgermeister von Cölln, Siegmund von Rathenow, der auf gegnerischer Seite den Befehl führte, ermunterte die Seinen zur Tapferkeit, und diese überschütteten die erste Reihe der feindlichen Kolonne derart mit Pfeilen und Steinkugeln, daß sie ins Wanken geriet und die Bauern die Flucht ergriffen. Inzwischen war die Reiterei der Städte durch das Gertraudtentor getrabt, hatte die Wasserschlenke, welche die linke Flanke der Johanniter deckte, umgangen und war im Rücken des Feindes erschienen. Da inan ihr Anrücken von den Türmen aus deutlich sehen konnte, so fielen im geeigneten Moment die Zugbrücken des Köpenicker Tores, und heraus stürzte unter Leitung ihrer Gewerksmeister das Fußvolk der Innungen. Die Söldner, die dem ersten Angriff ausgesetzt waren, wehrten sich tapfer: die Ritter eilten zu ihren Rossen, saßen auf und warfen sich der Reiterei entgegen. Längere Zeit schwankte der so entbrannte Kampf; auf beiden Seiten wurde mit gleicher Erbitterung gefochten. Endlich aber blieb dem Komtur nichts anderes übrig, als den Befehl zu geben, sich durchzuschlagen und den Rückzug anzutreten, wobei, ba die Richtung nach Tempelhof sich den Rittern verlegt fand, diese schließlich bett Weg nach Köpenick einzuschlagen gezwungen waren.
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Extrahierte Personennamen: Colditz Johann Johann Siegmund_von_Rathenow
— 107 —
zugleich den nächsten seiner süß schlafenden Dragoner an der Schulter rüttelnd. Wie ein grauer Schatten trabte ein Reiter durch den Dunst an, zwei andere folgten, dann ein Haufen, und man vernahm das Stampfen einer größeren Kavallerieabteilung im raschen Anmarsch. Das kleine Häuflein der Schweden hatte sich schnell auf der Brücke in Linie gestellt, die beiden Korporale mit dem Posten in der Front. Aber schon parierte der vorderste der schattenhaften Reiter seinen Gaul dicht vor den Karabinermündungen und rief: „Versprengte vom Regiment Bülow! Haben die Brandenburger dicht auf den Fersen. Gebt Raum, die Pferde sind abgehetzt, wir halten die Straßen nicht länger und müssen in die Stadt!"
Es war eine alte, heisere Stimme, eine Stimme wie die der beiden alten Korporale Sven und Rolf, die das hervorstieß, und der Mann auf dem wirklich schweißtriefenden, abgehetzten, schnaubenden Gaule war auch alt und grau verwettert. Er trug einen dunkelbraunen Rock über dem Brustküraß, einen breiten, an der Seite aufgeklappten Dragonerfilz, doch ohne Feder und Kokarde. Er trug mächtige Stulphandschuhe und Reiterstiefel, doch keine Feldbinde, und wie seine nun allgemach auch heranreitenden Begleiter trug er das Schwert in der Scheide.
„Schnell, schnell, Kamerad von Wangelin! Wir hängen seit dreien Tagen in den Sätteln und halten uns kaum mehr. Es eilt — laßt uns durch."
Die beiden Korporale sahen sich zögernd an. „Gebt die Parole, Herr!"
„Wir sind drei Tage von der Armee. Sahen die Brandenburger bei Burg auf dem Marsche. Wie können wir euch die Petrol' vom gestrigen Abend geben? Macht Platz, ich sag' euch, Wacht-kommandant, der Oberst Wangelin ist mein guter Freund. Er liegt zum Wahrzeichen mit euch drüben in Rathenow, und ich bin Leutnant im Regiment Bülow. Jetzt haltet uns nicht länger auf!"
„Was sagt Ihr dazu, Korporal Knäckabröd?" fragte der Korporal Kok.
„So arg wird's doch nicht pressieren!" sagte der Korporal Sven. In demselben Augenblick aber richtete sich der alte Blanrock im Sattel auf und schrie krächzend: „Also nicht? Na, dann ho?
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Extrahierte Personennamen: Sven Rolf Knäckabröd Sven
Spicheren 6. August. 151
Gefangene zurück, außerdem 1 Adler, 28 Kanonen, 5 Mi-trailleusen und viel sonstiges Kriegsgerät. Die Würtemberger eroberten die französische Kriegskasse, 222 000 Franken.
An demselben 6. August siegte die Avantgarde der
1. Armee, unterstützt durch Abteilungen der 2. Armee, über die Truppen des Generals Frossard bei Spicheren unweit Saarbrücken. Frossard hatte Saarbrücken, das er am
2. August besetzt, wieder verlassen und sich auf die Höhen von Spicheren zurückgezogen, welche, in der Richtung von Forbach und Metz gelegen, gegen Saarbrücken hin wie eine natürliche Festung sich äußerst steil erheben. Frossard hatte die zum Teil bewaldeten Abhänge durch Verschanzungen und Schützengräben noch stärker gemacht, so daß es eine Unmöglichkeit schien, diese Höhen zu nehmen. Am Morgen des 6. August näherten sich einzelne Truppenteile der 1. Armee der Stadt Saarbrücken und begannen gegen Mittag den Kampf in dem Thale vor den Spicherer Höhen, in welchem sie den Kugeln der Franzosen schutzlos ausgesetzt waren und starke Verluste erlitten. Anfangs führte General v. Ka-mecke das Kommando gegen die überlegenen französischen Streitkräfte. Nachdem allmählich Verstärkungen eingetroffen waren und der inzwischen angekommene General v. Göben den Oberbefehl übernommen hatte, konnte man gegen 4 Uhr Nachmittags an die Erstürmung der Höhen gehen. „Dieses Emporklimmen an dem steilen Abhange," schrieb ein Offizier, der die Arbeit mitgemacht, „war das mühseligste Werk dieses Tages. Von Hinansteigen war hier keine Rede; kriechend und sich von Busch zu Busch, von Stein zu Stein mit den Händen emporziehend, bewegten sich unsere Leute langsam vorwärts, während der Feind sie von der Höhe herab mit massenhaftem Fener überschüttete. Das Schlimmste bei dieser Arbeit war die nach und nach eintretende Ermattung. Wo mau aber in das Antlitz eines dieser gegen die tiefste Ermattung ankämpfenden Männer fah, da las man unverkennbar auf demselben den Entschluß geschrieben, den Bergkamm zu erreichen oder zu sterben." Fast ohne einen Schuß zu thun, rückte die Masse bergan. Erst als die Höhe erreicht war,
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Extrahierte Personennamen: August August Frossard August Frossard August